Ende 1994 traf ein erstes Beratungs-Komitee zusammen, um die Grundlagen für eine Institution zu schaffen, die sich um die technischen Grundlagen und Standards im Web kümmern sollte. Denn das CERN, die Geburtsstätte des Web, war mit dieser Aufgabe, die nicht seinem eigentlichen Beschäftigungsgegenstand entsprach, überfordert.
Im Sommer 1995 traten namhafte Firmen dem W3-Konsortium bei. Gleichzeitig eröffnete die europäische Präsenz des Konsortiums ihre Pforten. Mitglieder des W3-Konsortiums sind Firmen oder Organisationen, keine Einzelpersonen. Sie unterschreiben einen 3-Jahres-Vertrag und zahlen Mitgliedsbeiträge, aus denen sich das Gremium finanziert. Als Gegenleistung erhalten sie Zugang zu nichtöffentlichen Informationen und können an der Entwicklung der vom W3C betreuten Standards wie HTML, CSS, XML usw. mitwirken.
Die Arbeit des W3-Konsortiums unterteilt sich in so genannte Aktivitäten (Activities). Es gibt mehrere Dutzend solcher Aktivitäten. So gibt es Aktivitäten für HTML, XML, CSS usw. Für jede der Aktivitäten gibt es Arbeitsgruppen (Working Groups) und Interessengruppen (Interest Groups). Während die Interessengruppen eher einflussnehmenden Charakter haben, befassen sich die Arbeitsgruppen mit der eigentlichen Ausarbeitung der Inhalte. Beide Gruppenarten setzen sich aus Mitgliedern des W3C zusammen. In den Arbeitsgruppen sitzen also auch viele Vertreter von Software-Herstellern. Das unabhängige Kern-Team des W3-Konsortiums überwacht die Aktivitäten.
Über die Einstiegsseite des W3-Konsortiums können Sie alle Aktivitäten der Organisation mitverfolgen. Es gibt auch ein Deutsches Büro des W3-Konsortiums, das in deutscher Sprache über die Arbeit des W3-Konsortiums berichtet.
Recommendations (Empfehlungen) des W3-Konsortiums sind Dokumente mit dem höchsten im Web verfügbaren Verbindlichkeits-Charakter. Es handelt sich um technische Beschreibungen einzelner Web-Technologien wie beispielsweise HTML, CSS oder XML. Recommendations haben die Aufgabe, die jeweilige Technologie vollständig und möglichst unmissverständlich normativ zu beschreiben. Zielgruppen dieser Beschreibungen sind einerseits Web-Autoren, andererseits aber auch Software-Hersteller, z.B. von Webbrowsern, die angehalten sind, diese Standards so genau und vollständig wie möglich in ihren Produkten zu implementieren.
Der Anspruch der Exaktheit und Vollständigkeit macht die Recommendations für Anfänger nicht unbedingt zu einer leichten Lektüre. Denn nicht selten leidet die Allgemeinverständlichkeit unter den Zwängen der Terminologie. Das W3-Konsortium ist sich aber bewusst, dass diese Dokumente zum Teil auch von weniger spezialisierten Leuten und Nicht-Informatikern gelesen werden oder gelesen werden müssen. Die neueren Recommendations sind daher reichhaltiger erläuternd als die früheren. Auch mit erhellenden Beispielen wird nicht mehr so gespart.
Jede Recommendation durchläuft ein längeres Verfahren, in dessen Verlauf das Dokument mehrmals von verschiedenen Seiten gereviewt wird. Aus losen technischen Notizen entstehen zunächst Working Drafts (Arbeitsentwürfe), von denen es eine oder mehrere geben kann. Arbeitsentwürfe lassen das geplante End-Dokument bereits gut erkennen. Verbindlich sind sie jedoch noch nicht. Nach diversen Reviews innerhalb der Arbeitsgruppe und nach Abstimmung mit der Interessengruppe erlangt das Dokument schließlich den Status einer Candidate Recommendation (Empfehlungskandidat). In diesem Stadium wird noch Feedback aus der Öffentlichkeit erwartet und gegebenenfalls eingearbeitet. Daraus entsteht die Proposed Recommendation (Empfehlungsvorschlag). Nach einem abschließenden Review erhält das Dokument schließlich den Status einer offiziellen Recommendation.
Die Entwicklung der jeweiligen Technologie ist damit allerdings nicht abgeschlossen. Es handelt sich lediglich um festgeschriebene Entwicklungsstadien, damit Entwickler Fixpunkte haben, an die sie sich halten können. Die Recommendations erhalten aus diesem Grund Versionsnummern, ähnlich wie bei Software-Produkten üblich. So gibt es beispielsweise HTML 4.01, CSS 2.0 oder XML 1.0. Für neue Dokumentversionen wird das Review-Verfahren ganz oder teilweise wiederholt.
Alle wichtigen Recommendations des W3-Konsortiums liegen im HTML-Format vor und können von den Webseiten des W3-Konsortiums in gezippter Form heruntergeladen werden. Auf diese Weise kann sich jeder Web-Entwickler lokale Kopien derjenigen Dokumente besorgen, die er für seine tägliche Arbeit benötigt. Wenn Sie sich ernsthaft mit HTML, CSS, XML usw. beschäftigen wollen, ist es dringend zu empfehlen, sich diese Dokumente zu besorgen und sich damit zu beschäftigen.
Was die Entwicklung von HTML betrifft, so hatte das W3-Konsortium keine besonders glückliche Hand. Erst eine einseitige Ausrichtung auf wissenschaftlich/technische Dokumente (HTML 2.0, HTML 3.0), dann eine Anbiederung an schlechtes defacto-Markup in führenden Browsern (HTML 3.2), und schließlich ein komplizierter, für viel Verwirrung sorgender Kompromiss (HTML 4.01 in drei verschiedenen Varianten, plus XHTML, das zudem als separate Sprache weiterentwickelt werden sollte). Das alles führte schließlich dazu, dass sich eine Aktivisten-Gruppe aus dem W3-Konsortium abspaltete und mit der WHATWG ein eigenes Standardisierungsgremium gründete.
WHATWG steht für Web Hypertext Application Technology Working Group. Die Mitglieder der 2004 gegründeten Organisation sind vor allem Interessensvertreter von Browser-Anbietern, also Angestellte der Mozilla Foundation, von Opera Software, Apple Inc. und Google.
Die Entwicklung von HTML5 geht maßgeblich auf die WHATWG zurück. Allerdings geht es der WHATWG nicht darum, das W3-Konsortium zu unterwandern. Die Organistation versteht sich als Zuarbeiterin für das W3-Konsortium, speziell im Bereich der für die Webpraxis relevanten Technologien. In der Praxis sieht das so aus, dass auf den Seiten der WHATWG immer die neueste HTML5-Spezifikation zu finden ist, während das W3-Konsortium daraus festgeschriebene und definierte Dokumentversionen entwickelt.
Im Sommer 2012 kam es zu einem Zerwürfnis zwischen Ian Hickson, dem federführenden Kopf hinter der WHATWG, und dem W3-Konsortium. Seitdem ist HTML auf dem Weg dahin, in zwei Standards zu zerfallen: auf der einen Seite in den sogenannten Living Standard der WHATWG, in dem es keine HTML-Versionen mehr geben soll, und auf der anderen Seite in den in Versionen festgeschriebenen Standards des W3-Konsortiums. So gibt es beim W3-Konsortium mittlerweile Arbeiten zu einer HTML-Version 5.1, in die sogar neue Sprach-Features einfließen, die nicht mehr aus dem Living-Standard der WHATWG stammen – etwa ein neues HTML-Element namens template. Spätestens damit zerfällt HTML in ein WHATWG-HTML und ein W3C-HTML.
Gegenwärtig ist es allerdings eher Ian Hickson und sein Living-Standard, der HTML sein Gepräge gibt. Auf ihn und die WHATWG gehen fast alle wichtigen Neuerungen in HTML5 zurück, und der große Erfolg von HTML5 unter Webentwicklern beweist, dass Ian Hickson trotz seiner umstrittenen Machtposition ein hervorragendes Gespür für eine sinnvolle Weiterentwicklung der Sprache hat. Auch das vorliegende Handbuch orientiert sich am Living Standard. Trotz des immer weiter um sich greifenden Erfolgs von HTML5 muss man die Weiterentwicklung der Sprache derzeit kritisch beobachten.
Korrekturen, Hinweise und Ergänzungen
Bitte scheut euch nicht und meldet, was auf dieser Seite sachlich falsch oder irreführend ist, was ergänzt werden sollte, was fehlt usw. Dazu bitte oben aus dem Menü Seite den Eintrag Diskutieren wählen. Es ist keine Anmeldung erforderlich, um Anmerkungen zu posten. Unpassende Postings, Spam usw. werden allerdings kommentarlos entfernt.